Interview zu Beziehungsaufbau im politischen Umfeld

Interview zu Public Affairs heute

Veränderte Rahmenbedingungen, neue Strategie: Unser Partner Holger Reise spricht über Veränderungen im Zuge der neuen Ampel-Regierung

  1. Welche Themen stehen bei unseren Kunden in Sachen Public Affairs aktuell im Vordergrund?
    In den letzten Monaten ging es natürlich vor allem um die Regierungsbildung, den Koalitionsvertrag und den Start in die neue Legislaturperiode. Unsere Kunden wollen wissen, was die neue Konstellation für sie bedeutet. Welche Chancen und Risiken für das Unternehmen entstehen. Und natürlich, wie sie mit den Politikerinnen und Politikern ins Gespräch kommen können, die jetzt neu in der Verantwortung sind.
  2. Wie helfen wir als Agentur unseren Kunden bei diesen Fragen?
    Ein Unternehmen, dessen Geschäft auch von politischen Entscheidungen abhängt, kann nach einer Bundestagswahl nicht einfach so weitermachen. Die Rahmenbedingungen verändern sich, also müssen die Unternehmen auch ihre Strategie überprüfen. Der erste Schritt dazu ist eine Themen- und Stakeholder-Analyse: Welche politischen Festlegungen gibt es? Wie blicken die neuen Zuständigen auf die Themen, die für das Unternehmen relevant sind? Auf der Basis entwickeln wir dann mit den Kunden eine angepasste Strategie.
  3. Was beinhaltet so eine Strategie für die Interessenvertretung?
    Am Anfang stehen realistische Zielsetzungen: Welche Anliegen sind in den nächsten ein, zwei Jahren erreichbar, weil sie in die Agenda der Regierung passen? Und welche Punkte sind komplizierter, brauchen einen längeren Atem. Daraus entsteht eine Zeitplanung: Welche Ansprache muss wann erfolgen, welche Formate sind zu welchem Zeitpunkt geeignet? Dann wird die Argumentation aktualisiert: Einen grünen Staatssekretär überzeugt man beispielsweise anders als einen von der Union.
  4. Kannst Du ein Beispiel geben, wie das das in der Praxis aussieht?
    Wir haben einen Lebensmittelhersteller als Kunden, für den ist wichtig, was sich in der Ernährungspolitik und beim Thema Verpackungen tut. Es geht also um Lebensmittelkennzeichnung, mögliche Werbeverbote, Verpackungsvorschriften und ähnliches. Dazu gibt es viele Festlegungen im Koalitionsvertrag, die zuständigen Ministerien sind jetzt unter grüner Leitung – dadurch ändert sich die Politik. Das gilt auf nationaler Ebene, aber es verändert auch, wie Deutschland bei EU-Entscheidungen agiert. Der Lebensmittelhersteller muss seine Kommunikation mit der Politik jetzt deutlich verändern.
  5. Ist die Ampel-Regierung eine Chance für die Interessenvertretung? Oder bestehen eher Risiken?
    In vielen Bereichen eröffnen sich große Chancen, vor allem für Unternehmen, die auf Nachhaltigkeit und Klimaneutralität setzen. Ein großer Kunde entwickelt Technologien, die die Energieeffizienz in der industriellen Fertigung erhöhen. Da gibt es jetzt im Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ganz neue Anknüpfungspunkte. Wir helfen dabei, diese Chancen optimal zu nutzen.
    Natürlich gibt es auch Branchen, für die es erstmal schwieriger wird. Auch da helfen wir bei der Strategieanpassung. Schließlich haben sich auch die Regeln geändert: Seit Jahresbeginn gilt das Lobbyregistergesetz, Interessenvertreter müssen sich jetzt registrieren. Auch dazu beraten wir unsere Kunden.
  6. Wie geht es in den nächsten Monaten weiter im Bereich Public Affairs?
    Für die meisten unserer Kunden haben wir die erste Analyse und auch die Strategieentwicklung abgeschlossen. Jetzt geht es in die Umsetzung, die konkrete Politikansprache. Aber der Krieg in der Ukraine verändert die Rahmenbedingungen schon wieder, in der Politik verschieben sich Prioritäten. Am deutlichsten natürlich in der Energiepolitik und der Rüstungspolitik, aber das hat auch Auswirkungen auf andere Politikbereiche. Grundsätzlich prüfen wir bei jeder krisenhaften Entwicklung, inwiefern Strategie und Planung anpasst werden müssen. Das gilt auch jetzt. Es gibt also viel zu tun.

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