Im Interview: Organisationsentwicklerin Ulrike Führmann

Die IK-Expertin über Trends, Herausforderungen und den Mehrwert des systemischen Ansatzes

Interne Kommunikation mit System: So wird sie wirklich wirksam

Wie gelingt eine durchdachte Interne Kommunikation (IK), die wirklich ankommt? Kommunikationsberaterin und Organisationsentwicklerin Ulrike Führmann erläutert im Interview, welche Rolle die IK im Unternehmen spielt und warum sie an vier zentralen Anspruchsgruppen ausgerichtet sein sollte. Als systemischer Coach zeigt sie außerdem, wie dieser Ansatz dazu beiträgt, eine nachhaltige und wirkungsvolle Interne Kommunikation zu gestalten.

Sie haben als Beraterin Einblicke in verschiedene Organisationen: Welchen Stellenwert genießt Ihrer Erfahrung nach die Interne Kommunikation in den Unternehmen?

Ulrike Führmann: Ich nehme den Stellenwert als sehr unterschiedlich wahr. Die in der Community verbreitete Einschätzung, dass die Interne Kommunikation seit der Corona-Pandemie stark an Bedeutung gewonnen hat, kann ich so pauschal nicht bestätigen. Wenn ich als externe Beraterin von Kund:innen angefragt werde, ist dem Unternehmen die Bedeutung der Internen Kommunikation bereits klar – oder zumindest der auftraggebenden Person. Das spiegelt sich allerdings nicht unbedingt in den Budgets wider. Hier erlebe ich nach wie vor einen großen finanziellen Druck. Ich finde aber, es braucht gar nicht die großen Budgets. Es gibt ganz viele Wege, wirkungsvoll intern zu kommunizieren. Dabei hilft z. B. eine Kommunikationsstrategie sehr.

Wo ist die Interne Kommunikation Ihrer Erfahrung nach im Unternehmen verankert?

Ulrike Führmann: Das ist von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Häufig ist sie neben der externen Kommunikation unter dem Dach der Unternehmenskommunikation angesiedelt. Mittlerweile nimmt auch die Verschmelzung der beiden Disziplinen zu. Diese Praxis erlebe ich jedoch als suboptimal, da es große Unterschiede bei den Ziel- bzw. Bezugsgruppen und der Wirkung gibt, die die Kommunikation anstrebt. Immer wieder begegne ich auch Firmen, die die Abteilung Interne Kommunikation aufbauen und sie direkt als Stabsstelle bei der Unternehmensleitung ansiedeln. Ein guter Weg – finde ich. Die Abstimmungen mit der Leitung sind dann kurz. Auch die Anbindung an die Unternehmensentwicklung empfinde ich als sinnvoll, da sich von dort aus Ziele und Strategie gut ins Innere tragen lassen. Und noch eine Variante, die ich bevorzuge: Da Interne Kommunikation für mich ein wichtiger Hebel für die Organisationsentwicklung ist, finde ich es besonders nützlich, wenn sie auch in dieser Abteilung angesiedelt ist – sofern es eine gibt.

Welche Ansprüche werden an die interne Kommunikation gestellt? Hat sich das verändert?

Ulrike Führmann: Beim Thema Ansprüche schaue ich mir gerne vier Aspekte an:

  1. Die Organisation:
    Bei der Organisation stelle ich mir die Frage: Was braucht das Unternehmen, damit es zukunftsfähig bleibt und wie kann die interne Kommunikation dazu beitragen?
  2. Das Umfeld:
    Beim Umfeld blicke ich auf das aktuelle Geschehen rund um die Organisation und worauf die interne Kommunikation reagieren muss. Ein Beispiel ist die Corona-Pandemie, die von außen kam und eine schnelle Anpassung der Kommunikationskanäle erforderte.
  3. Die Mitarbeitenden:
    Bei der Gruppe der Mitarbeitenden frage ich: Was brauchen die Mitarbeitenden an Information und Kommunikation, um ihre Arbeit bestmöglich zu erledigen?
  4. Die Kunden:
    Zum Schluss vielleicht ungewöhnlich, aber wichtig: die Kund:innen. Hier geht es vor allem um die Schnittstellen der Mitarbeitenden zu diesen. Zum Beispiel: Welche Informationen benötigt etwa der Vertriebler oder die Vertrieblerin, damit er oder sie gut nach außen kommunizieren kann? Auch hier können die Kommunikationsverantwortlichen sinnvoll unterstützen.

Welche Themen beschäftigen die Interne Kommunikation aktuell?

Ulrike Führmann: Einige Themen sind in der Internen Kommunikation Dauerbrenner – dazu gehören Digitalisierung, New Work und Agilität. Beim Thema Agilität erlebe ich derzeit zwei gegensätzliche Entwicklungen: Während agiles Arbeiten in einigen Organisationen zur Normalität geworden ist, macht sich in anderen Ernüchterung oder gar Enttäuschung breit.

Ein aktuelles Thema ist die Integration von Künstlicher Intelligenz in Kommunikationsprozesse. Viele Kommunikationsverantwortliche stehen vor der Herausforderung, KI sinnvoll einzusetzen und deren Potenzial bestmöglich für ihren Arbeitsalltag zu nutzen. Gleichzeitig rückt die zunehmende Belastung der Mitarbeitenden immer stärker in den Fokus – sei es durch reale Arbeitsverdichtung oder eine subjektiv empfundene Mehrbelastung. Dieses Thema wird uns sicherlich auch im Zusammenhang mit der Zukunft des Standorts Deutschland und der Diskussion um die Leistungsbereitschaft weiter beschäftigen.

Zudem beeinflussen geopolitische Entwicklungen Unternehmen gerade besonders intensiv. Je nach Branche und Standort sind die Auswirkungen unterschiedlich stark, stellen aber viele Organisationen und damit auch die Interne Kommunikation vor neue Aufgaben. Das sind z. B. steigende Rohstoffpreise, Unsicherheiten bei Produktionsstandorten oder auch zunehmende Cyberangriffe.

Die Veränderung scheint ein wichtiges Thema der Internen Kommunikation zu sein. Wie würden Sie Change Kommunikation definieren? Ist es für Sie eine Sonderform der Internen Kommunikation? 

Ulrike Führmann: Für mich ist sie weniger eine Sonderform der Internen Kommunikation, sondern vielmehr eine eigenständige Kommunikationsrichtung. Die Interne Kommunikation konzentriert sich dabei auf die „Alltagskommunikation“, die Change-Kommunikation kommt in Veränderungsphasen zum Tragen. Sie begleitet den Change kommunikativ und schafft Verständnis für neue oder andere Entscheidungen, Ausrichtungen, Prozesse usw. Sie sorgt dafür, dass Mitarbeitenden alle Informationen erhalten, die sie benötigen, um arbeitsfähig zu bleiben. Und auch, dass sie sich mit eigenen Ideen und Vorschlägen einbringen können, sofern Partizipation gewünscht und sinnvoll ist.

Sie sind nicht nur Expertin für Interne Kommunikation, sondern auch systemischer Coach. Welchen Mehrwert liefert der systemische Ansatz der Internen Kommunikation?

Ulrike Führmann: Ich habe den systemischen Ansatz vor fast 20 Jahren für mich entdeckt und mich auf allen Systemebenen ausbilden lassen – als Coach, Supervisorin und Teamentwicklerin und Organisationsberaterin. Dabei unterscheide ich zwischen dem systemischen und dem systemtheoretischen Ansatz. Der systemische Ansatz beschreibt die Haltung – u. a. geprägt durch Auftrags-, Ziel- und Ressourcenorientierung. Der systemtheoretische Ansatz bildet die theoretische Grundlage. Er ermöglicht, Maßnahmen und Interventionen fundiert zu begründen, anstatt intuitiv zu handeln.

Dieses Wissen hilft, organisationsinterne Phänomene besser zu verstehen und gezielt darauf zu reagieren. Ein Beispiel: Warum scheitern Veränderungsprozesse in Unternehmen so oft? Oder warum reicht es nicht aus, das „Mindset“ der Mitarbeitenden ändern zu wollen – und weshalb ein solcher Eingriff sogar übergriffig ist. Für Kommunikator:innen ist besonders spannend, dass Organisationen laut dem Systemtheoretiker Niklas Luhmann aus Kommunikation bestehen. Wer Organisationen verändern will, muss deshalb bei der Kommunikation ansetzen.

Aktuell beobachte ich, dass die Agilitätswelle von einer systemischen Welle abgelöst wird. Das freut mich, denn die systemische und systemtheoretische Perspektive ist äußerst wertvoll für Veränderungen in Organisationen und die Gestaltung der Internen Kommunikation. Gleichzeitig sehe ich die Gefahr, dass dieser Ansatz zur bloßen Modeerscheinung verkommt und damit sein enormes Potenzial nicht voll ausgeschöpft wird. Ob Modewelle oder nachhaltiger Ansatz: Es lohnt sich für alle Kommunikationsverantwortlichen, sich damit intensiv auseinanderzusetzen.

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