Digitale Partizipationsprozesse und die Aspekte der digitalen demokratischen Teilhabe sind ein umfassendes und facettenreiches Thema, entsprechend vielfältig waren die Beiträge der über 100 Referentinnen und Referenten aus Hochschulen, Politik, Wirtschaft oder kommunalen Verwaltungen beim D3-Kongress vom 22. Und 23. November 2022.
Zehn Thesen als roter Faden
Zum Einstieg in das Programm und quasi als roten Faden der Veranstaltung, präsentierte Jörg Sommer, Politikwissenschaftler und Direktor von „Berlin Institut für Partizipation“, zehn Thesen zur Digitalisierung in der Demokratie:
- Die Demokratie wird digitaler – in allen Bereichen
- Digitalisierung ist KEINE Demokratisierung
- Nichts wird durch Digitalisierung besser
- Digitalisierung ist ein Katalysator für Defizite
- Digitalisierung ist ein De-Organizer
- Digitalisierung macht die Demokratie schneller
- Digitalisierung macht Demokratie permanenter
- Digitalisierung macht die Demokratie subjektiver
- Digitalisierung macht Demokratie transparenter
- Digitalisierung macht Demokratie vielfältiger
Demnach macht die Digitalisierung schlechte Prozesse nicht besser, sondern fokussiert diese vielmehr. Auch wird die Demokratie dadurch, dass sie digital passiert, nicht demokratischer, sondern nur schneller und transparenter – im Positiven wie im Negativen.
Debatten werden im Netz in Echtzeit geführt, Shitstorms müssen gemanagt werden und Meinungsumfragen liefern sofort Ergebnisse, die entsprechend schnell verarbeitet und vorgestellt werden sollen.
Jörg Sommer, der seit mehr als 30 Jahren als Gutachter und Berater für Parlamente, Ministerien, Stiftungen und Verbände tätig ist, weist in diesem Zusammenhang auf die Trägheit als eine bisherige große Stärke von Demokratien hin: „Große Richtungswechsel waren immer ein Ergebnis zäher Aushandelsprozesse. Schnelle Richtungswechsel sorgen für höhere Fliehkräfte an den Rändern und tiefere Risse in der Mitte. Was wir aktuell gut beobachten können.“
Digitalisierung in allen Bereichen von Bildung, Gesellschaft und Politik
Der Bogen der Veranstaltung spannte sich von digitalen Möglichkeiten in Schule und Bildung, Einsatz digitaler Abstimmungstools in Bürgerparlamenten oder politischen Diskursen bis zu Chancen virtueller Reality-Anwendungen bei der Stadtentwicklung.
Zum Beispiel ermöglichen es digitale Beteiligungsplattformen Regierungen, Verwaltungen und Organisationen, Menschen in kollektive Aktivitäten einzubeziehen. Vorschläge für neue Projekte, Beratungen über Vereinbarungen. Priorisierung von Alternativen, Planung öffentlicher Räume, Abstimmung über die Verwendung von Budgets, und noch viele weitere Möglichkeiten können hier genannt werden.
Best Practice Beispiele für erfolgreiche Partizipationsprozesse machten deutlich, dass für einige Stadtverwaltungen, wie zum Beispiel in Stuttgart oder Mannheim, digitale Anwendungen und Plattformen bereits ein wichtiger Baustein bei Bürgerbefragungen oder Beteiligungsprozessen sind.
Augmented Reality eröffnet als Tool bei der Visualisierung von Stadtentwicklungsprojekten große Möglichkeiten. Bürgerinnen und Bürger werden von Anfang an „mitgenommen“ und können nicht nur sehen, was geplant wird und wie es aussehen soll, sie können auch mitplanen, Vorschläge machen und abstimmen. Und das Ganze unkompliziert und schnell, ohne dafür die Räume der Verwaltung aufsuchen zu müssen.
Analog ist nicht tot
Aber auch der Wert der analogen Kommunikation in der Diskussion noch einmal hervorgehoben, denn nicht alle können an den digitalisierten Angeboten teilhaben. Menschen mit Migrationshintergrund, die entweder sprachlich oder technisch nicht über die notwendigen Voraussetzungen verfügen, Menschen mit Handicap oder ältere Bürgerinnen und Bürger, die nicht ausreichend technikaffin sind, dürfen bei dieser digitalen Entwicklung nicht auf der Strecke bleiben. Es gilt, entweder entsprechende Bildungsangebote zu schaffen oder die analoge Ansprache für diejenigen, die sie weiterhin benötigen, nicht aus den Augen zu verlieren.
Fazit
Für uns als Kommunikatoren hat der Kongress deutlich gemacht, dass wir den Überblick über die digitalen Möglichkeiten behalten und für unsere Kunden prüfen müssen, wann und in welchem Umfang es sinnvoll ist, die digitalen Tools einzubinden. Eine Kombination aus bewährten, analogen Veranstaltungen wie Runde Tische und der Ergänzung durch schnelle, vielseitige digitale Anwendungen kann eine gute Lösung sein. Vor allem bei der Veranschaulichung komplexer Planungsprozesse im Infrastrukturbereich hilft die digitalisierte Aufbereitung der örtlichen Gegebenheiten, schafft besseres Verständnis und damit auch Akzeptanz.
Bild: ©Van Bo Le Menzel